Kris Nissen im Interview

943

VW-Sieger in Macau 2009

Volkswagen Motorsport kehrte 2007 in den Formel-3-Sport zurück. Welches Fazit ziehen Sie als Volkswagen Motorsport-Direktor? Kris Nissen: Ein sehr positives. Wir haben unser Ziel schneller erreicht als geplant. 2008 wurden wir bereits Vizemeister in der Formel-3-Euroserie. Doch noch wichtiger war, dass wir während der Saison Teams und Fahrer überzeugen konnten, dass der Volkswagen Motor siegfähig ist. Für die folgende Saison traten viele Teams an uns heran, die später auch unsere Kunden wurden. Im ATS Formel-3-Cup und in England konnten wir bald Motoren ausliefern.
2009 folgten viele Podestplätze, weitere Siege und schlussendlich auch die Meisterschaften im deutschen Cup und in England. Wir haben damit im zweiten Jahr das erreicht, was erst für das dritte Jahr geplant war. In der Saison 2010 werden im ATS Formel-3-Cup und in der Britischen Formel-3-Meisterschaft noch mehr Fahrzeuge mit Volkswagen Motoren bestückt. In der Formel-3-Euroserie liegen wir auch im Fahrplan. Das berühmte Tüpfelchen auf dem „i“ war 2009 allerdings der Doppelsieg beim Formel-3-Weltfinale in Macau.
Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, mit welchen Teams Volkswagen Motorsport zusammenarbeitet? Kris Nissen: Am Anfang mussten wir erst einmal das Vertrauen der Teams gewinnen, jetzt kann im Prinzip jeder bei uns Kunde werden – hier entscheidet nicht der Name, oder das Team, sondern vielmehr, wer frühzeitig und ernsthaft auf uns zukommt. Es gab allerdings auch Anfragen, denen wir nicht entsprechen konnten, da uns die Kapazität fehlt. Wir hatten uns das Ziel gesetzt nach drei Jahren 40 – 60 Prozent eines Starterfeldes auszurüsten. Das haben wir jetzt schon erreicht. Wir können nicht drei Serien zu 100 Prozent beliefern. Das ist auch nicht Sinn der Sache.
Die Formel 3 ist eine der wenigen Top-Serien im Nachwuchsbereich, die nicht mit Einheitschassis, Einheitsmotoren oder einheitlichem Antriebsstrang fährt. Das könnte zwar die Kosten etwas senken, doch man muss bedenken, dass die Piloten in der Formel 3 den letzten Schliff für die Formel 1, DTM oder Sportwagen bekommen sollen. Der Fahrer muss lernen, eng mit dem Team zusammenzuarbeiten und hier bietet die Formel 3 mehr Freiheiten für ihn, das Team und das Fahrzeug als andere Serien. Das beste Team mit dem besten Ingenieur soll sich auch über die technische Seite einen Vorteil erarbeiten können – eben wie im Spitzensport.
Wie sieht während der Saison die Zusammenarbeit zwischen Volkswagen Motorsport und den Teams aus? Kris Nissen: Wir legen sehr viel Wert auf Datenaustausch. Ein Formel-3-Team mit einem erfahrenen Piloten kann damit ein anderes Team, das einen Neueinsteiger am Steuer hat, gut unterstützen. Zum Beispiel mit Daten über Drehzahl, Gang und Lenkwinkel und so weiter – das sind wertvolle Informationen für die eigene Analyse. Wir wissen, dass es für die Teams nicht unbedingt angenehm ist, diese Daten weiter zu geben. Aber ich denke, wir haben inzwischen eine gute Harmonie hergestellt und bilden so etwas wie eine Volkswagen Familie.
Darüber hinaus haben wir ein Fahrzeug bei uns im Haus, mit dem wir zu Beginn unseres Engagements den Motor getestet haben. Jetzt erproben wir damit Material von unseren Partnern, wie zum Beispiel die Dämpfer von ZF Sachs. Erkenntnisse, die wir hier gewinnen, geben wir natürlich an unsere Teams weiter.
Welche Erwartungen haben Sie an Daniel Abt, der dieses Jahr neu im ATS Formel-3-Cup ist? Kris Nissen: Daniel hat mit seinem Titelgewinn im ADAC Formel Masters 2009 gezeigt, dass er ein großes Talent ist. Er ist bereit, viel für seinen Erfolg zu tun, hat sich sehr gut vorbereitet und war auch körperlich sehr gut trainiert. Er ist seinen Weg gegangen und Meister geworden. Wenn er diesen Weg auch in der Formel 3 weiterverfolgt, kann es eine gute Saison werden. Doch als Anwärter auf den Titel sehe ich ihn erst 2011.
Er ist noch sehr jung und viele große Fahrer, wie Schumacher oder Hamilton haben gezeigt, dass man mindestens zwei Jahre in der Formel 3 benötigt. Die Formel-3-Szene ist sehr hart und man darf sich keine Fehler erlauben. Ich erwarte, dass Daniel diese Saison unter die Top fünf fährt und gelegentlich auch auf das Podium.
Welchen Stellenwert hat der ATS Formel-3-Cup im deutschen Motorsport? Kris Nissen: Der ATS Formel-3-Cup ist inzwischen auf einem hohen Niveau angekommen, auch was die Teams und Fahrer betrifft. Hier wird durch die Formel-3-Vereinigung auch organisatorisch ein sehr guter Job gemacht. Gleichzeitig ist es gelungen, die Kosten auf einem vernünftigen Niveau zu halten. Das ist in der heutigen Zeit sehr wichtig. Zusammen mit den Teams hat man Wege gefunden, dass finanzielle Mittel nicht unbedingt einen Vorteil verschaffen.
Der Sprung aus dem ADAC Formel Masters in die Euroserie ist normalerweise zu groß und mit einem zu hohen finanziellen Aufwand verbunden. Mit dem ATS Formel-3-Cup und der Britischen Formel-3-Meisterschaft haben sich stabile Serien gebildet, die den Aufstieg schrittweise ermöglichen. England sehe ich für deutsche Piloten nicht als die richtige Adresse, historisch gesehen empfiehlt sich die Formel 3 dort eher für einheimische Piloten und für Fahrer aus Süd- und Nordamerika. Der ATS Formel-3-Cup ist in Deutschland eine wichtige Station vor dem Einstieg in die Euroserie.
Welche Ziele setzt sich Volkswagen dieses Jahr in der Formel 3 insgesamt? Kris Nissen: Es wäre sehr schön, wenn wir die Titel-Erfolge im deutschen Cup und in England wiederholen könnten. Aber das liegt letztlich an den Fahrern und den Teams. In der Formel-3-Euroserie wollen wir öfter auf dem Podium stehen – und würden ART gerne als Dauersieger ablösen. Ich habe großen Respekt vor der Leistung dieser Mannschaft, aber es würde der Serie gut tun, wenn am Ende mal wieder jemand anderes die Nase vorne hätte.

www.formel3.de

Schreibe einen Kommentar